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Podcasts – Medienvielfalt auch im Homeschooling

Beispiele aus der Praxis

Podcasts – Medienvielfalt auch im Homeschooling

Viele Forscher*innen, darunter Olaf-Axel Burow in seinem Artikel  „Bildung nach Corona“, weisen auf die Möglichkeiten hin, die die Corona-Pandemie für die Digitalisierung des Bildungssystems haben könnte. Dennoch zeigt unter anderem eine Studie der PH Niederösterreich, dass trotz des digitalen Unterrichts analoge Medien dominieren.[1] Wäre jetzt nicht die Zeit neben bewährten Methoden auch Neues auszuprobieren? Podcasts zum Beispiel!

Eine Wiener Schulklasse der AHS Oberstufe hat den Versuch im Zuge meiner Masterarbeit gewagt und im Laufe eines Semesters Podcasts im Geschichtsunterricht angewendet. Ganz so neu ist dieses Medium aber gar nicht. Bereits 2004 veröffentlichte der MTV-Moderator Adam Curry den ersten Podcast. Seitdem erlebt das Medium einen konstanten Zuwachs an Hörer*innen und Produzent*innen. Laut dem Reuters Institute Digital News Report 2020 hören ungefähr 24% der deutschen und 28% der österreichischen Bevölkerung Podcasts.[2] Besonders populär sind Podcasts aber bei den unter 30-Jährigen, was vor allem mit dem individuellen und nichtlinearen Charakter als auch der Zeit- und Ortsunabhängigkeit des Mediums zu tun hat.

Bisher kaum eingesetzt aber viel Potenzial

Dennoch finden sich im deutschsprachigen Raum nur vereinzelt Erfahrungsberichte über pädagogische Anwendungen von Podcasts. Diese beschränken sich meist auf Universitäten oder den Sprachunterricht. Dabei scheint das Medium, das besonders auf Narrative, Erzählungen, Diskussionen und Austausch aufbaut, prädestiniert für den Geschichtsunterricht zu sein:

  • Narrative Strukturen de- und rekonstruieren
  • Praktische Erfahrung durch die eigene Produktion von Podcasts
  • Multiperspektivität durch das Aufzeigen von unterschiedlichen Meinungen zu einem Thema
  • Kritik an der Darstellung selbst üben
  • Integration eines zusätzlichen Mediums zur Steigerung von Motivation im Zuge eines methodisch vielfältigen Unterrichts

Trotz dessen sollte nicht vergessen werden, das Gehörte auf eine Reflektionsebene im Unterricht zu heben, da Erzählungen natürlich auch ein manipulatives Potenzial aufweisen können.[3]

Was heißt das für die Praxis?

Besonders in Zeiten von Homeschooling scheinen Podcasts daher eine willkommene Abwechslung zu Arbeitsblättern und Videokonferenzen zu sein. Im Zuge meiner Masterarbeit wurden daher vier Arbeitsaufträge, die das Hören von Podcasts beinhalteten, passend zur Semesterplanung des Geschichtsunterrichts erstellt. Die ausgewählten Podcast-Episoden stammten von Podcasts aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum, die sich besonders durch ihre gekonnte und kritische Aufarbeitung von geschichtlichen Inhalten auszeichnen. Hierzu zählen unter anderem: „Eine Stunde History“ von Deutschlandfunk Nova, „Geschichten aus der Geschichte“ von Daniel Meßner und Richard Hemmer und „The History of American Slavery“ von Slate. Die Arbeitsaufträge zu den Podcasts reichten vom kreativen Schreiben, über Quellenkritik bis hin zur Argumentation der eigenen Meinung. Dabei sollten die meisten Arbeitsaufträge aber hauptsächlich zur Vorbereitung auf digitale Treffen dienen, wo die Inhalte gemeinsam vertieft und reflektiert wurden.

Bei der anschließenden Erhebung durch Fragebögen stellte sich heraus, dass fast alle Schüler*innen bereits Erfahrung mit Podcasts hatten und die Anwendung des Mediums durchaus positiv bewerteten. Grundsätzlich meinten 35% der Klasse, dass Podcasts als Methode im Distance Learning „sehr gut“, 50% „ziemlich gut“ und weitere 15% „mittelmäßig gut“ funktioniert hat. Dabei können sich 2/3 der Klasse vorstellen, das Medium gelegentlich im Unterricht zu nutzen.

0 %
Fanden Podcasts im Distance Learning "ziemlich gut"

Die Schüler*innen betonten, dass ihnen besonders die Abwechslung und die Medienvielfalt gefallen hat. Außerdem sollte die Arbeit mit Alltagsmedien im Unterricht nicht vergessen werden. Denn über die Hälfte der Schüler*innen gaben an, ihr Wissen über Geschichte und Politik hauptsächlich über Social Media (55,5%) zu beziehen.[4]

Dennoch gibt es Verbesserungspotenzial in der didaktischen Aufbereitung von Podcasts. So vermerkte die Mehrheit der Schüler*innen, dass ihnen das Anhören der Episoden leicht viel, jedoch Probleme beim Erinnern an das Gehörte auftraten. Daher mussten Sequenzen teilweise öfters und unter erhöhter Aufmerksamkeit angehört werden, weshalb die Podcasts teilweise ihren markanten Charakter als Nebenbei-Medium einbüßten. Auch die Länge der Episoden, die meist 30 Minuten überschritt, war für einige Schüler*innen zu lang.

Meine Empfehlungen fürs Geschichte Homeschooling:

Besonders im Distance Learning oder Blended Learning bieten sich Podcasts für unterschiedliche Einzelarbeiten an, wobei die Podcastfolgen nicht länger als ca. 30 Minuten dauern sollten. Natürlich können Lehrer*innen neben professionellen Podcasts auch eigens produzierte Podcast-Episoden im Unterricht anwenden. Dabei ist aber eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Medium notwendig und die Aufnahme sollte keinesfalls die Form einer Vorlesungsaufzeichnung annehmen. Beispielsweise können Podcasts als Input für einen neuen Themenabschnitt herangezogen werden. Die Schüler*innen sollen sich dabei eine vorgegebene Podcast-Episode anhören, um sich auf die gemeinsame Videokonferenz vorzubereiten. Möchte man tiefer auf die Inhalte eines Podcast eingehen oder das Medium selbst als Untersuchungsobjekt in den Mittelpunkt stellen, können kurze Arbeitsaufträge sehr nützlich sein. Bei der Erstellung dieser Aufgaben sollte berücksichtigt werden, dass Podcasts nicht primär Daten- und Faktenwissen, sondern eher Konzepte und Meinungen vermitteln. Daher sollten auch die Arbeitsaufträge verstärkt auf die Diskussions- und Recherchekompetenz der Schüler*innen abzielen. Ebenso können Podcasts als Grundlage für eigene Narrative dienen, beispielsweise in Form des kreativen Schreibens. Hier bietet sich auch die Möglichkeit an die persönlichen Interessen der Schüler*innen zu fördern, indem unterschiedliche Podcasts zu verschiedenen Schwerpunktthemen zur Wahl gestellt werden. Besonders wenn man eine praktische Auseinandersetzung mit Podcasts erreichen will, können Podcasts im Zuge von Projektarbeiten herangezogen werden. So können Podcasts unter anderem als Audioguide genutzt werden, um beispielsweise die eigene Stadt oder Gemeinde zu erkunden. Andererseits können die Schüler*innen aber auch dazu aufgefordert werden eigene Podcasts zu produzieren. Dabei können die Jugendlichen unter anderem in Gruppen ein Thema auswählen, zu diesem recherchieren, ein Portfolio anfertigen und anhand dieser Vorbereitungen einen Podcast mit verschiedenen Rollenzuweisungen aufnehmen.

Unterrichtsvorschlag zur Antike:

„Alexander der Große. Das Griechische Weltreich“ von Eine Stunde History

Die Folge geht auf das Leben Alexanders des Großen und den Hellenismus ein, wobei auch ein Gegenwartsbezug durch den Namenskonflikt “Mazedonien“ hergestellt wird. Die Podcastfolge beinhaltet sowohl eine hörspielartige Sequenz als auch Expert*innen-Interviews. Die Episode kann als Einstieg in die Thematik genutzt werden und vor allem zu Diskussionen in Videokonferenzen anregen. Folgende Fragen können den Schüler*innen zur Vorbereitung gestellt werden:

  • Was ist das Wichtigste, das du aus diesem Podcast mitnimmst?
  • Wird über Alexander in Quellen positiv oder negativ berichtet? Warum?
  • Nenne Konfliktpunkte zwischen Griechenland und Nordmazedonien.

Meine Empfehlungen für den Geschichte Präsenzunterricht:

Ebenso wie im Distance Learning können Podcasts auch im Präsenzunterricht zur Projektarbeit oder zur Vorbereitung auf kommende Unterrichtseinheiten herangezogen werden. Hierbei sollte aber berücksichtigt werden, dass Schüler*innen oft weniger motiviert sind, viel Zeit außerhalb des Klassenzimmers für Nebenfächer aufzubringen. Daher können Podcasts auch in Form von kurzen Sequenzen (1-5 Minuten) im Geschichtsunterricht abgespielt werden. Dabei können beispielsweise Ausschnitte von zwei verschiedene Podcasts zur selben Thematik angehört und verglichen werden. Außerdem kann hier auch explizit auf die Politische Bildung eingegangen werden, indem unter anderem in Podcasts von politischen Parteien hineingehört wird. Die Klasse kann daraufhin gemeinsam die auditive Wirkmächtigkeit, den Sprachstil und stilistische Mittel untersuchen und kritisch betrachten.

Unterrichtsvorschlag zur Politischen Bildung:

„Braucht Deutschland einen Neustart, Armin Laschet?“ von 1 Thema, 2 Farben

Der FDP-Politiker Christian Lindner spricht mit seinem Gast Armin Laschet, dem CDU-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten aus NRW, über diverse politische Themen. Von Minute 19:50 – 22:00 ist das Diskussionsthema die Doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland. Eingebettet in das Thema Staatsbürgerschaft, Migration und Zugehörigkeit kann diese kurze Sequenz des Gesprächs zwischen den beiden Politikern abgespielt werden. Daraufhin soll gemeinsam (evtl. mit Zusatzmaterial wie dem betreffenden Rechtstext, Karte zur Regelung der Doppelten Staatsbürgerschaft in Europa etc.) über das gehörte diskutiert werden.

  • Zuerst sollte mit den Schüler*innen geklärt werden, wer der Podcast-Host Christian Lindner und sein Gast eigentlich sind. Welcher politischen Parteien gehören sie an und welche Positionen vertreten deren Fraktionen?
  • Was ist das Ziel bzw. der Zweck des Podcasts?
  • Gemeinsames Brainstorming: Was genau ist eine Doppelte Staatsbürgerschaft und wer kann so eine haben?
  • Welche verschiedenen Positionen zur Doppelten Staatsbürgerschaft gibt es und wurden diese von Lindner und Laschet genannt?
  • Gibt es sprachliche und rhetorische Besonderheiten der Politiker?
  • Zuletzt kann man die Schüler*innen zu ihrer eigenen Meinung und ihren Lösungsvorschlägen befragen.

Klar ist jedoch, dass es sich lohnt einen Blick über den didaktischen Tellerrand zu werfen. Alleine wenn es dazu führt, dass einige Schüler*innen neue Motivation für den Unterricht aufbringen konnten, ein neues Medium zur außerschulischen und unterhaltsamen Wissensaneignung entdeckt wird oder Geschichtslehrer*innen neuen Input erhalten.


[1] vgl. Tengler Karin, Schrammel Natalie, Brandhofer Gerhard, Lernen trotz Corona. Chancen und Herausforderungen des distance learnings an österreichischen Schulen. In: Medienimpulse 58, Nr.2 (2020) 19.

[2] vgl. Newman Nic, Executive Summary and Key Findings. In: Newman Nic, Fletcher Richard, Schulz Anne, Andı Simge, Nielsen Rasmus Kleis (Hg.), Reuters Institute Digital News Report 2020, online unter

https://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/sites/default/files/2020-06/DNR_2020_FINAL.pdf (30.12.20) 26.

[3] vgl. Hellmuth Thomas, Plädoyer für “Historytelling” im Unterricht. In: Public History Weekly 4 (2016) 4.

[4] vgl. Ranninger Nicole, „Lernen’S ein bissl Geschichte“. Podcasts als Mittel der Geschichtsvermittlung im Unterricht der Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung in Oberstufen der allgemein bildenden höheren Schule (AHS) in Wien (Unveröffentlichte Masterarbeit Universität Wien 2021) 107, 120.

Wissenschaft verständlich vermitteln. Nach ihrem Geschichtsstudium fokussierte sich Nicole Ranninger im Zuge des Masters Zeitgeschichte und Medien auf Public History und Geschichtsvermittlung. Vertiefende Erfahrungen sammelte sie als Research Assistent an diversen Universitäten, als Praktikantin in Archiven und Kulturbetrieben aber vor allem in der langjährigen Arbeit mit Kindern im Kindermuseum Schönbrunn und in Kinderorganisationen.

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