Beispiele aus der Praxis
Eltern und Lehrer in der Corona-Krise: Pro und Contra des digitalen Unterrichts
Schulschließungen und Unterricht zu Hause – von einem Tag auf den anderen standen nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Eltern vor einer großen Herausforderung! Wie sieht es aus in deutschen „Homeschool“-Haushalten? Welche Lösungen haben sich als praktikabel erwiesen? Wo besteht noch Nachholbedarf? Und wie klappt der Kontakt zwischen Schule und „Homeschool“? Wir haben uns nicht nur den aktuellen Stand angesehen, sondern geben Ihnen auch praktische Tipps & Tricks mit an die Hand, um in der aktuellen Phase Lernausfall zu vermeiden.
Wie gehen Schulen mit der Schulschließung um?
„Grundschulkind… Dorfschule… Es gab ein dickes Paket Kopien am letzten Schultag mit einer handgeschriebenen und kopierten ToDo-Liste :)“, berichtet Hannes Keller. Er ist selbst Elternsprecher und steht in engem Kontakt mit den Lehrkräften. Diese verwenden untereinander einen Schulmessenger, Eltern und Kinder waren noch nicht eingebunden, als die Schulschließung kam. Daher schicken die Lehrkräfte nun Arbeitsaufträge und Musterlösungen über den Elternsprecher an die anderen Eltern. So werden aktuell zumindest alle Kinder erreicht und mit Aufgaben versorgt. Für die Osterferien haben die Lehrkräfte weiterhin ein Osterferien-Paket zur Verfügung gestellt. Dieses dient aber eher als Beschäftigungs- denn als Lehrmaterial.
Gerald Claasen hat ebenfalls einen Sohn in der Grundschule. Die Lehrer stehen hier im engen Austausch mit den Schülern. „Mein Sohn hat seiner Klassenlehrerin eine persönliche „hallo, wie geht es dir“ E-Mail gesendet mit Fotos von Sachen, die er aktuell zu Hause und im Garten macht, neben seinen Hausaufgaben. Da hat sich seine Lehrerin sehr gefreut und wünscht sich von den weiteren Schülern auch ähnliche Nachrichten.“ Es wird hier viel Wert gelegt auf die persönliche Interaktion der Schüler/innen und dem Erhalt von so viel Normalität wie möglich.
„Die Klassenlehrerin schickt (auch für die anderen Fachlehrer) die Materialien…“, berichtet Thomas Deppe. Sein Sohn besucht die weiterführende Schule in Düsseldorf und arbeitet anhand der Materialien wie gewohnt mit seinen Schulheften weiter – nur eben zu Hause. Die Kinder wurden bisher nicht an das Thema E-Learning herangeführt, daher wird noch ganz „klassisch“ gearbeitet. Man sei aber auch hier schon in Gesprächen zum Umstieg auf digitale Medien.
Digitale Klassen – läuft hier alles reibungslos?
Dagmar Weimanns Tochter ist schon heute in einer Tablet-Klasse involviert. „Insgesamt arbeitet meine Tochter sehr konzentriert, recherchiert eigenständig zu neuen Themen im Internet und verteilt sich die Aufgaben auf die Woche. Vokabeln lernt sie jeden Tag ein bisschen (könnte natürlich auch gerne etwas mehr sein).“ Die Lehrer kontrollieren die Aufgaben und stehen für Rückfragen bereit. Einzig die Freiwilligkeit in vielen Aufgaben stellt Frau Weimann vor Herausforderungen. Da ist sie froh, dass ihre Tochter von sich aus schon recht engagiert ist.
„In Mathe wurde gerade ein neues Thema angefangen – und in der 8. Klasse Gymnasium schnauft man als Elternteil da schon etwas (kongruente Dreiecke – habe ich jetzt gerade nicht so parat…).“, erzählt Sebastian Kramer. Da ist er froh, wenn der direkte Draht zum Lehrer steht. Nicht alle Lehrkräfte stünden aber in der notwendigen Ansprechbarkeit zur Verfügung. „Wir Eltern besprechen die korrigierten Arbeitsblätter (also meine Frau)“, sagt Sebastian Kramer.
„Es findet täglich digitaler Unterricht statt in den Hauptfächern. Für Religion, Kunst und Co liegen keine digitalen Arbeitsmaterialien vor. Das Ganze läuft in etwa so ab: Ein Lehrer schickt morgens eine Info und lädt dann z. B. ab 9 Uhr 6 Arbeitsblätter eines Fachs hoch. Diese müssen dann z. B. bis 12 Uhr bearbeitet werden und um 12 Uhr ist dann kein Zugriff auf die Arbeitsblätter seitens Schüler mehr möglich. Dann gibt es ein paar Tage später eine Erfolgskontrolle, sprich die korrigierten Arbeitsblätter zurück. In Deutsch ist aktuell das Thema „kommentieren“ dran, wo dann ein Text geschickt wird, der kommentiert werden muss. Da hat man dann etwas mehr Zeit.“ Dieses Modell findet bei den Kindern von Kai Klages an einer weiterführenden Schule statt. Hier wird auch von den Uhrzeiten der Kurse der normale Stundenplan aufrecht erhalten.
Vor diesen Herausforderungen stehen die Eltern
- Unterstützung der Kinder ist nur mit Zeit und Ruhe leistbar. Viele Eltern arbeiten allerdings parallel auch im Homeoffice. Hier müssen alle zurückstecken. Unterstützen können dabei die Lehrkräfte, indem sie mit den Schüler/innen und Eltern in Kontakt bleiben, Unterricht und Materialien zur Verfügung stellen und so den Lernausfall minimal halten.
- Für das Ausdrucken der Arbeitsblätter wird entsprechende Hardware benötigt. Drucker und Papiervorrat sind allerdings nicht in allen Haushalten gegeben. Doch das geht auch anders: Stellen Sie digital ausfüllbare PDFs zur Verfügung. Oder stellen Sie die Aufgaben so, dass sie mit vorhandenen Materialien bearbeitet werden können, z. B. einer Recherche online.
- Manche Schulen übermitteln Aufgabe auf freiwilliger Basis. Hier müssen Eltern dann nochmals nachfassen und dafür sorgen, dass die Schulbildung fortgeführt wird. Wünschenswert hier, vor allem bei einer Fortführung der Schulschließungen, dass eine einheitliche Verbindlichkeit für die Fortführung des Lernens geschaffen wird. Dies gilt auch für den nächsten Punkt.
- Bei Geschwisterkindern, die unterschiedlich von ihren Schulen mit Material versorgt werden, sind die Eltern noch stärker gefordert. Das Geschwisterkind will ebenso mit Inhalten versorgt werden, die dann die Eltern recherchieren und beschaffen müssen.
- Inhaltlich stellen die Themen die Eltern vor Herausforderungen – ganz egal ob Grundschule oder weiterführende Schule. Es braucht dann Lehrer, die zur Verfügung stehen. Ein Modell, das auf Verantwortung setzt: Hilfestellungen von den Lehrkräften für die Eltern. Mit dem Aufgabenblatt für die Kinder könnten Eltern die Lösungshilfe erhalten.
- Arbeitsgruppen können nicht so leicht abgebildet werden und entfallen größtenteils. Damit auch die durchaus wichtigen sozialen Interaktionen, die nun über Video-Calls mit den Freunden und Mitschülern abgebildet werden, aber eben unorganisierter sind.
Diese Vorteile sehen Eltern im „Unterricht zu Hause“
- Durch die rechtzeitige Schulschließung wurde das Ansteckungsrisiko minimiert.
- Trotz Schulschließung kann durch die Bearbeitung der Themen und Aufgaben von zu Hause aus der Lernstoff weiter vermittelt werden und die Kinder erhalten den nötigen Bildungsstand.
- Lernprobleme, die auf Lehrer geschoben wurden, zeigen zu Hause ihren wahren Ursprung.
- Wiederum können die Schüler/innen aber auch konzentriert und im eigenen Lerntempo arbeiten, haben keine Ablenkung wie im Klassenraum mit den Mitschülern.
- Es ist auch eine Chance, die bisher vielleicht noch nicht vorhandene Medienkompetenz zu entwickeln. Gemeinsam mit den Lehrkräften und Stück für Stück.
- Mehr Familienzeit. Und die Kinder beteiligen sich z. B. auch an Themen wie Kochen und der Gartenarbeit. Auch wieder eine Chance, mehr zu lernen und Neues zu erfahren.
Eine einfache Lösung: der Schulmessenger
„Die Halterner Schulen sind wegen der Coronavirus-Pandemie geschlossen. Der Unterricht wird aber auf andere Weise fortgeführt. Ohne den Einsatz digitaler Medien wäre dies nicht möglich. In dieser Situation profitieren Schulen, die ihre Digitalisierung bereits vor der unerwarteten Krise vorangetrieben haben.“, schreibt Silvia Wiethoff in ihrer Berichterstattung in der Halterner Zeitung zum Thema „Das Coronavirus und die Schulen: Unterrichten über die digitale Lernplattform“.
„Als der Unterricht an den Schulen in Haltern und in ganz NRW kurzfristig ausgesetzt wurde, habe sich die Realschule „sehr schnell und ohne größere Probleme auf die neue Situation einstellen“ können. Über die schul.cloud würden nun Arbeitsmaterialien an die Schüler ausgegeben. Die Plattform funktioniere ähnlich wie WhatsApp und ermögliche die direkte Kommunikation zwischen den Lehrern und Schülern, aber auch den Austausch in einer gesamten Klasse oder Fachgruppe.“, heißt es weiter im Bericht. Es zeigt sich, dass es Lösungen gibt, die sich schon jetzt im Praxiseinsatz bewähren. Davon berichten auch andere Lehrkräfte.
Natürlich sind viele Lehrkräfte und Schüler/innen an die tägliche Nutzung von Messengern gewöhnt. Doch Kommunikation mit Mitschülern und Lehrern folgt anderen Regeln als Chats mit einem „Bro“ am „Weekend“. Damit das funktioniert, haben wir die Infografik Schulchat-Knigge für Sie erstellt. Sie können diese gern herunterladen und mit Ihren Kollegen und Schüler/innen teilen.
Wie gehen Sie mit der Schulschließung um? Wie lösen Sie als Lehrkraft und Eltern die Herausforderung, den Lernausfall möglichst gering zu halten? Lassen Sie es uns in den Kommentaren wissen Wir sind gespannt auf Ihre Tipps & Tricks.
Offenlegung: Die Namen der Eltern, mit denen wir gesprochen haben, haben wir hier geändert. Außerdem haben wir Schulen und Landkreise nicht genannt.
Themen, die relevant sind. Dieses Kriterium müssen Artikel auf unserem Blog für Carla Maria Hoppe erfüllen. Als Redakteurin hat sie auch immer ein Auge auf das #TwitterLehrerzimmer und greift dort auf, was im Bereich der digitalen Schule beschäftigt.