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Schon wieder eine Bundescloud (Kommentar)

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Schon wieder eine Bundescloud (Kommentar)

Da war sie plötzlich wieder, die Bildungsplattform des Bundes. Als der Koalitionsausschuss Ende August 2020 zusammentrat, zählten zur dort beschlossenen digitalen Bildungsoffensive zunächst 800.000 Endgeräte für Lehrer*innen. Dazu kam eine bundesweite Plattform mit geradezu wundersamen Aufgaben und Reichweiten. Sie sollte, um nur ein Thema zu nennen, ein geschützter Raum „für hochwertige digitale Lerninhalte“ sein. Die Spannweite dieser Cloud wäre riesig: die Sektoren der beruflichen, der Erwachsenen- und der Weiterbildung und auch die Schulen sollten auf der Bildungsplattform bedient werden. Kurz, eine Mega-Super-Duper-Riesen-Cloud des Bundes. Ein Deutscher Bildungs-Hyperscaler. Jedenfalls in Worten.

Nachfragen, was die Lernwolke machen und wer sie betreiben solle, waren zunächst nicht erfolgreich. Alle Beteiligten zogen sich auf die Aussage zurück, das müsse man jetzt erstmal mit den Ländern besprechen. So geht Bildungspolitik des Bundes. In der CDU-Zentrale und im Willy-Brandt-Haus wird mit schnellen Schritten losgesprintet – um sich dann genauso fix auf den gemütlichen Duktus der Konferenz der Landschildkröten einzubremsen. (So nannte der ehemalige Bundesbildungsminister Möllemann die KMK einst.)

Auf den ersten Blick gab es vier Möglichkeiten, was mit der neuen Bundesplattform gemeint sein könnte. Zum Mitschreiben hier langsam aufgezählt:

Erstens, eine „Bundeszentrale für digitale und Medienbildung”, wie sie die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Margit Stumpp im April 2020 in den Bundestag eingebracht hatte.

Zweitens, eine ähnliche „Bundeszentrale für digitale Aufklärung“ von Staatsdigitalministerin Dorothee Bär, die angeblich im Juli 2020 ihre Arbeit aufnahm (aber bis dato über gar kein nennenswertes Budget verfügte).

Drittens, die Inhalte- und Infrastrukturplattform Edu-Sharing, die Mittel vom Bundesbildungsministerium bekam.

Viertens, die Lerncloud des Hasso-Plattner-Institutes, die inzwischen rund 20 Mio Euro an Zuschüssen ebenfalls durch das Bundesbildungsministerium verbuchen konnte.

Wer bisher dachte, die Bildungspolitik der 16 Schulminister sei verwirrend, wurde eines besseren belehrt: der Bund kann das noch doller. Es war auch unklar, wie viel von den 500 Mio Euro Bildungsoffensive übrig bleiben würde, wenn alle Lehrer*innen ein Laptop bekommen haben. Nur eins schien sicher: die bisherigen LMS und Schulclouds bekommen von dem Geld nichts.

Und hier liegt der ordnungspolitische Sündenfall. Es gibt einen funktionierenden Markt bei Lernmanagementsystemen (LMS) und Schulclouds; er zeichnet sich durch eine muntere Konkurrenz aus. Warum muss der Staat da noch eigene Initiativen starten? Der Bund ist als Unternehmer dann gefragt, wenn der Markt eine Leistung nicht erbringen kann. Ein gutes Dutzend Anbieter aber tun das bereits – sie halten eine bunte Pallette von LMS, Clouds, Messenger-Lösungen und Datei-Sharingplattformen für Schulen bereit. Die teilweise binnen 24 Stunden anschließbar sind.

Die ordnungspolitische Ursünde auf dem Cloud-Markt war die so genannte Schul-Cloud des Hasso-Plattner-Institutes in Potsdam. Nichts gegen die gute Ideen und die Programmierkünste dieses Institutes! Aber als beim Digitalgipfel allen voran von Bitkom-Präsident Achim Berg insinuierte, es gebe keine Schulclouds in Deutschland, war das falsch – und es begann obendrein eine Subventions- und Leidensgeschichte, die für Mittelständler ärgerliche bis ruinöse Züge annahm. Aus Bundesmitteln flossen sieben Millionen Euro nach Potsdam, um etwas neu zu erfinden, was es streng genommen bei einer Vielzahl von Anbietern schon gab: eine Plattform, auf der Lehrer und Schüler zusammen arbeiten und kommunizieren können. Der Bund päppelte einen neuen Wettbewerber.

Die Plattner-Cloud startete übrigens in ihrer Diskursphase mit der gleichen bombastischen Spannweite wie die eingangs erwähnte Bildungsplattform. Sie sollte vom Kindergarten über die Schulen und die Berufsbildung bis zu den Hochschulen reichen. So die Ankündigung im Jahr 2016. Im März 2020 hatte die angebliche Bundescloud nicht mal ein Prozent der deutschen Schulen angeschlossen. Das sollte man stets im Hinterkopf haben, wenn der Bund eine neue bundesweite Plattform ankündigt.

Ein Kommentar von Christian Füller, Journalist

Christian Füller ist Journalist und vielfacher Buchautor, der sich mit Bildung und der digitalen Revolution des Lernens befasst. „Muss mein Kind aufs Gymnasium?“, Duden 2018.

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