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Digitalisierung – Nein, danke!?

Schulpolitik

Digitalisierung – Nein, danke!?

OFFENE DIGITALISIERUNGSALLIANZ PFALZ – was ein Projektname! Wer fühlt sich da nicht erstmal erschlagen, allein durch diesen sperrigenTitel!? Dazu das Wort „Digitalisierungsallianz“. Wird hier ein Krieg geführt? Wird jetzt gewaltsam digitalisiert? So, oder so ähnlich muss es einem Lehrer gehen, wenn er das erste Mal von meinem Arbeitsfeld hört. Nicht gerade die beste Ausgangssituation um Lehrer für das Feld der Digitalisierung zu begeistern und zu überzeugen. Und dann kommt meistens noch dieses Unbehagen bezüglich der Digitalisierung hinzu.

Okay, den Titel und das Projekt kann man erklären: Das Projekt soll in der Region die Digitalisierung unterstützen und begleiten und zwar nicht nur in der Schule, sondern in der vollen Breite und das ganze wird gleich von mehreren Forschungseinrichtungen gemeinsam gemacht. Das erklärt schon mal den sperrigen Titel.

Aber was bereitet dieses Unbehagen gegenüber der Digitalisierung?

Für eine gesunde Skepsis spricht, dass mal wieder etwas Neues in die Schulen schwappt. Da begegnet der erfahrene Pädagoge gerne erstmal mit Skepsis. Denn in den letzten Jahrzehnten ist ihm bereits einiges an Neuerungen begegnet. Diese waren dann oft gar nicht so neu oder hatten nicht die gewünschten Auswirkungen und die Wogen glätteten sich schnell.

Doch dieses Mal schein es ernst. Ernster als zuvor. Es verändert sich nun doch etwas und wie es scheint kann man es nicht aufhalten, noch kann man sich dem entziehen. Dazu kommt, dass es wahrhaft neu zu sein scheint. Das Unbehagen wächst und es scheint eventuell doch eher bei dem Einen oder Anderen etwas Angst zu sein.

Keine Sorge! Betrachten wir uns einfach als den Menschen, der wir sind. Mit Emotionen und allem drum und dran. Mit der Digitalisierung kommt etwas Neues an die Schulen. Es kommt an die Schulen, in den Unterricht und letztendlich in unser aller Arbeitsumfeld. Zwar haben wir inzwischen fast alle ein Smartphone und einige wenige haben sogar Tablets für den privaten Gebrauch. Im Privaten geht es noch mehr oder weniger freiwillig zu und wenn wir nicht wollen, müssen wir nicht. Doch betrifft es uns in unserem Arbeitsumfeld anders. Dort ist die Veränderung auf einmal Pflicht. Wir kommen nicht daran vorbei.

Falsche Annahmen – falsche Schlussfolgerungen!

Das kann durchaus Angst machen, denn wir müssen liebgewonnene, vertraute Arbeitsweisen überdenken und uns von ihnen verabschieden. Das erzeugt Unsicherheit, denn Vertrautes bietet Sicherheit und dies muss sich nun ändern. Wir müssen teilweise von Vertrautem Abschied nehmen. Und Abschied tut weh und Schmerzen machen Angst. Ganz normal also, in dieser Situation mit Angst zu reagieren. Es folgen emotionale und irrationalen Reaktionen, die ich gerne einmal an folgendem Beispiel aufzeigen möchte:

Im Rahmen der ARD-Themenwoche „Zukunft Bildung“ ist mir auf Facebook ein Beitrag von W wie Wissen mit dem Titel „ Wozu noch Handschrift lernen?“ begegnet, der eine derartige Form der emotionalen und irrationalen Reaktion zeigt. Der fünfminutige Videoclip (zu finden in der ARD-Mediathek) geht mit der Beschreibung einher:

“Mehr Handy und Tablet, weniger Stift und Heft – der Schulunterricht steht vor gravierenden Veränderungen. Doch Experten warnen eindringlich vor einer Vernachlässigung der Handschrift, denn sie fördert intellektuelle Fähigkeiten.“

Betrachtet man diese Kurzbeschreibung ebenso wie die auf Facebook darunter formulierten Kommentare aus der nötigen sachlichen und emotionalen Distanz, zeigt sich ganz schnell, dass hier keine sachliche Herangehensweise der Fall ist. Was hat eine Vernachlässigung der Handschrift mit der Einführung von Tablets gemein? Okay, wenn man davon ausgeht, rein hypothetisch, dass fortan nur noch auf den Tablets getippt wird, dann gäbe es einen Zusammenhang. Aber mal ehrlich, dies entspricht mit Sicherheit nicht der Realität.

Wer sich mit den wahren Einsatzmöglichkeiten von Tablet-PCs auseinandersetzt, weiß, dass „mehr Tablet“ in keinem Fall mit „weniger Stift und Heft“ gleichzusetzen ist. Das Tablet soll doch in den Schulen eine ganz andere Funktion erfüllen.Tablets werden das Schreiben mit Hand und Stift durch das Fotografieren, das Videografieren, das Recherchieren, das Nutzen von Apps, Videos, Präsentationssoftware, Augmented/Virtual Reality uvm. ergänzen.

Es wird hier ein Bild erzeugt, das nicht der Realität entspricht. Die Begegnung mit falschen Annahmen gegenüber der Digitalisierung findet man jedoch leider sehr häufig. Sie fördert ein falsches Verständnis von Digitalisierung.

Tablets ermöglichen eine „Augmented Education“

Zu oft wird im Zuge der Digitalisierung ein Austausch von Altem gegen Neues suggeriert. Ich nehme das Buch weg und schaue fortan pdf-Dateien auf dem Tablet oder Monitor an. Ein wunderbares Beispiel, dass die Digitalisierung, leider, von Vielen als Ersetzung von bisher Analogem wahrgenommen wird. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.

Wenn wir einfach beim Beispiel des Tablets bleiben, sieht man ganz schnell, dass es die bisherigen Werkzeuge, wie Tafel, Heft, Stift und Lineal ergänzt. Das Tablet erweitert somit die Möglichkeiten von Unterricht und ermöglicht eine „Augmented Education“. Es ist ein Multitool und ermöglicht eine komplett neue, keine andere, sondern eine neue Art des Unterrichtens. Der wenn möglich auch auf neue Weise begegnet wird. „Thinking outside the Box!“ Es werden auf einmal Dinge möglich, die wir uns noch gar nicht im Kontext von Unterricht vorstellen können.

Bleiben Sie immer neugierig!

Ja, es bedeutet auch Arbeit. Wir müssen wieder lernen. Wir müssen uns informieren, einlesen und einarbeiten und das kostet Kraft! Und es kostet uns Mut uns unseren Ängsten und Bedenken zu stellen und uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Aber es lohnt sich, auch wenn wir uns bis jetzt nicht genau vorstellen können wie die künftigen Generationen arbeiten und lernen werden. Eins ist sicher, nicht wie wir! Spielen wir eine andere, sehr starke menschliche Triebkraft gegen unsere Ängste aus und machen unserer NEUGIER im wahrsten Sinne des Wortes alle Ehre!

Daniel Nölle ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Kaiserslautern und studierte die Fächer Chemie und Biologie für das gymnasiale Lehramt. Derzeit beschäftigt er sich mit der Entwicklung und dem Transfer von digitalen, schulartübergreifenden Lehr- und Lernformaten im MINT-Bereich im Rahmen des Projektes „Offene Digitalisierungsallianz Pfalz“.

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