Ökosystem Digitale Schule
Stand der Dinge: Ungenügend
Von
Wie ist es um die Digitalisierung an den deutschen Schulen bestellt? Ein Kommentar von Mika Rüther
Die Corona Pandemie sorgt dafür, dass Vieles am Stagnieren ist und sorgt bei den meisten von uns für eine gewisse Lethargie. Doch wie sieht das denn mit Bereichen aus, die vorher schon am Stagnieren waren, wie der Digitalisierung an Schulen? Werden diese nun noch mehr ausgebremst oder ist eventuell sogar das Gegenteil der Fall?
Also zuerst einmal ein kurzer Überblick darüber wie der momentane Stand der Dinge an den Schulen ist, beziehungsweise in den Bundesländern: Laut einer Umfrage von ZEIT ONLINE unter den Kultusministerien, sind insgesamt 20% der zugesicherten Gelder aus dem Digitalpakt bewilligt. Eine ernüchternde Zahl, vor allem vor dem Gesichtspunkt dass bis Ende des Jahres laut Plan 50% bewilligt sein sollten. Und dabei sind die 20% eigentlich noch ein durch Ausreißer nach oben geschönter Wert, denn der Mittelwert unter allen Bundesländern liegt nur bei 12%.
Da die Ausstattung der Schulen den Trägern obliegt, können die Ministerien hierzu keine Angabe machen, doch laut einer Umfrage des Westdeutschen Rundfunks in 369 Kommunen Nordrhein-Westfahlens kommen auf einen Desktop-PC 9,6 SchülerInnen, auf ein Tablet 12,8 und auf einen Laptop 30,2. Machen wir uns nichts vor, diese Zahlen sind verheerend! Aber was sind die Gründe für solch niederschmetternde Fakten?
Keine Überraschungen
Das erste Problem liegt irgendwie auf der Hand, denn gefühlt ist es überall in Deutschland die Ursache, wenn etwas sehr schleppend anläuft: Die Bürokratie. Das reicht von der Beantragung der Gelder, welche ein Medienentwicklungskonzept voraussetzt, bis hin zum Netzausbau an den Schulen, der durch das komplizierte Vergaberecht der Aufträge unnötig in die Länge gezogen wird.
Baustelle Nummer zwei ist der Föderalismus, der in keinem Bereich der Politik so sehr zum Tragen kommt, wie im Bildungswesen. Laut einer repräsentativen Umfrage von Bitcom, sehen 70% der Deutschen den Föderalismus als Bremse der Digitalisierung an Schulen und auch in den Geldern des Digitalpakts sind klare Unterschiede zu erkennen. So haben Sachsen und Hamburg schon 99 bzw. 100% der Gelder bewilligt bekommen, während das Saarland als auch Schleswig-Holstein erst bei 3% stehen. Das liegt zum einen an teilweise unterschiedlichen Anforderungen was die Antragstellung angeht und zum anderen daran, dass nur manche Länder Einrichtungen wie Landesmedienanstalten führen, die bei der Antragstellung helfen und beraten.
Und auch das letzte (hier aufgeführte) Problem erklärt sich von selbst: Die Corona-Pandemie. Wenn vorher schon vieles wichtiger als die Digitalisierung an Schulen erschien, kam von jetzt auf gleich ein Vielfaches an vermeintlich wichtigeren Dingen dazu. Dazu kommt, dass durch die Pandemie auch viele weitere Branchen ausgebremst wurden, die für die Bewerkstelligung der Digitalisierung von Nöten gewesen wäre. Und das obwohl genau zu der Zeit digitale Infrastruktur so dringend benötigt worden wäre.
Es gibt Hoffnung
Nachdem der erste Lockdown veranschaulichte, wie sehr die Digitalisierung an den Schulen doch auf der Strecke geblieben ist, führte das erfreulicherweise zu einem sogenannten Sofortausstattungsprogramm. Dieses hatte zum Ziel, dass auch SchülerInnen aus finanzschwächeren Haushalten Zugang zu mobilen Endgeräten bekommen. Die Gelder dafür konnten deutlich schneller und unbürokratischer beantragt werden, weswegen das Programm schnell umgesetzt wurde und zwei weitere Sofortprogramme für IT-Administration und weitere Geräte für LehrerInnen beschlossen wurden.
Den Bildungsföderalismus wird man zwar nicht abschaffen können und das sollte man auch nicht, aber er Bedarf auf jeden Fall einer Reform. Auch aus der Politik selbst gab es Stimmen, die Reformwünsche äußerten. Konkret ging es dabei vor allem um das vorhin schon beschriebene Problem, dass nur wenige Bundesländer Beratungsstellen anbieten können, weswegen eine „Bundeszentrale für digitale und Medienbildung“ gefordert wird. Diese solle dann bei Anträgen helfen und Schulen in generellen Fragen der digitalen Infrastruktur beratend zur Seite stehen. Das würde also nicht nur das Problem des Föderalismus selbst angehen, sondern gleichzeitig auch den Herausforderungen der Bürokratie entgegenwirken. Bei Ankündigungen aus der Politik sollte man aber vorsichtig sein und die eigenen Hoffnungen fürs Erste klein halten. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Bundeswahl kurz bevor steht, sollte man nicht mit großen politischen Maßnahmen rechnen- erst recht nicht im Bildungssektor.
Reicht das aus?
Was bleibt also am Ende übrig, wenn wir uns die Zahlen und den Gesamtkontext anschauen? Was bleibt sind schlechte Zahlen. Die Bürokratie behindert das Antragsverfahren und die Bildungspolitik in manchen Bundesländern erschwert diesen Prozess zusätzlich. So kommt es, dass die Schulen deutlich weniger Geld bewilligt bekommen haben, als sie laut des Plans zu diesem Zeitpunkt mindestens haben sollten. Deswegen dürfte es eigentlich auch niemanden überrascht haben, als am Anfang des ersten Lockdowns auf einmal klar wurde, dass es den Schulen an allen Ecken und Enden an digitaler Infrastruktur fehlt.
Allerdings wurden seitdem einige Schritte in die richtige Richtung gemacht. Die Corona-Krise hat für einen Schub in der Digitalisierung gesorgt. Das reicht aber noch nicht, denn man hängt trotzdem seinen eigenen Zielen hinterher. Des Weiteren birgt der pandemiebedingte Distanzunterricht auch neue digitale Probleme, es bleibt also abzuwarten ob der angesprochene Schub überhaupt reicht, um die alten und die neuen Hürden zu bewältigen.
Mika Rüther, der Bob Andrews des Digitale Schule kompakt - Teams, welcher als unser jüngster Redakteur täglich mit der Rechereche zu aktuellen Themen, den neuesten Diskussionen auf Twitter und dem interviewen spannender Persönlichkeiten aus dem Schulleben für unseren Blog beschäftigt ist. Er selbst hat vor nicht all zu langer Zeit sein Abi gemacht und weiß deshalb ganz genau, was Digitalisierung an unseren Schulen tatsächlich bedeutet.